Zuletzt aktualisiert am 2. Dezember 2024 von tirolturtle
Rhizarthrose – Dysplasie am Daumengelenk. Angelika Eisenhut, selbst Betroffene, hat dazu Handexperte Dr. Sebastian Farr befragt.
Rhizarthrose – Dysplasie am Daumengelenk behandeln. Das ist ein Thema, an dem Gastbloggerin Angelika Eisenhut persönlich interessiert ist. Jahrelang hatte sie immer wieder Schmerzen im Bereich des Daumensattelgelenks, deren Muster nicht nachvollziehbar war.
Angelika Eisenhut ist doppelte Hüft-TEP Trägerin und ist auch von Dysplasie am Daumengelenk betroffen. Sie ist in der Arthrose Forum Austria Selbsthilfe aktiv.
Weiters findest du auf dem Blog einen Rhizarthrose Schwerpunkt mit zehn Tipps, was bei Arthrose an der Hand hilft.
Hier ist ihr Erfahrungsbericht mit Dysplasie am Daumgelenk:
Ich bekam verschiedene Diagnosen, von Sehnenscheidenentzündung über Rhizarthose, bis ich an Priv.-Doz. Sebastian Farr überwiesen wurde. Sein Ansatz dieser Problematik meiner Beschwerden, die bei mir untypischerweise vor dem Wechsel aufgetreten sind, war ein auch unter Handspezialisten unüblicher.
Eine angeborene Dysplasie des Daumensattelgelenks und Instabilität der beteiligten Sehnen wurden von ihm diagnostiziert.
Das Daumensattelgelenk ist zu klein ausgebildet und verschiebt sich immer wieder, subluxiert also. Dies führt zu Schmerzen, die sich ähnlich wie Arthrose anfühlen, aber keine Rhizarthrose sind.
Rhizarthrose – Dysplasie am Daumengelenk
In weiterer Folge würde sich Rhizarthrose entwickeln – um dem vorzubeugen, hat Dr. Sebastian Farr eine Operationstechnik vorgeschlagen, die das Daumensattelgelenk stabilisiert.
Dabei wird ein Teil der Sehne als Schleife um das Gelenk gelegt, um es zu stabilisieren und die Überbeweglichkeit auszuschalten. Diese Operationstechnik, bei der der Knochen nicht miteinbezogen werden muss und ausschließlich Weichteilgewebe beteiligt ist, wurde von ihm mitentwickelt.
Für mich ist diese Technik insofern bedeutend, als es relativ wenige Studien zu dieser Ursache von Rhizarthrose gibt.
Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass bei jungen Frauen vor dem Wechsel bei Beschwerden mit dem Daumensattelgelenk an die Möglichkeit einer Dysplasie in Kombination mit Instabilität der Sehnen gedacht wird, um entsprechend (operativ) vorbeugen zu können.
Rhizarthrose – degenerative Veränderung am Daumensattelgelenk
Rhizarthrose ist eine häufige Form der Arthrose an der Hand, von der vor allem Frauen betroffen sind. Im Grundgelenk des Daumens, dem Daumensattelgelenk kommt es dabei zu degenerativen Veränderungen, die zu Schmerzen und Verlust von Kraft und Beweglichkeit führen.
Warum besonders Frauen ab fünfzig diese Form der Arthrose entwickeln, ist noch nicht eindeutig geklärt. Möglicherweise liegt es an den hormonellen Umstellungen im Wechsel, die zu Lockerungen des Bandapparates im Daumen führt.
Weiters ist das Daumensattelgelenk bei Frauen kleiner ausgebildet als bei Männern, ein Umstand, der eine Instabilität dieses Gelenks begünstigen kann.
Ich habe nun Priv.-Doz. Sebastian Farr um ein Interview gebeten, worin er die Aspekte von Problemen des Daumensattelgelenks in Zusammenhang mit möglicher und bereits vorhandener Rhizarthrose erläutert.
OA Priv.-Doz. Dr. Sebastian Farr, Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, Facharzt für Orthopädie und Traumatologie, ist an der Abteilung Kinderorthopädie und Fußchirurgie des Orthopädischen Spitals Speising in Wien tätig und betreibt eine Wahlarztpraxis in Wien, mit den Spezialgebieten Kinderorthopädie und Handchirurgie.
Sein operatives Tätigkeitsfeld liegt im Bereich der Korrektur von Fehlstellungen im Kindes- und Jugendalter an der unteren und oberen Extremität, spezialisiert hat er sich auf die Handchirurgie (ÖÄK Diplom) bei Kindern, Jugendlichen und speziellen Fragestellungen im Erwachsenenalter.
Rhizarthrose – Interview OA Priv.-Doz. Dr. Sebastian Farr
Wie ist der typische Verlauf einer Rhizarthrose?
Patienten berichten typischerweise über dumpfe, seltener stechende Beschwerden im Bereich des Daumenstrahles, die nach und nach auftreten und über Monate bis Jahre immer stärker werden.
Belastungen beim festen Zugreifen, Flasche aufdrehen o. ä. werden immer schwieriger und dadurch leidet die Alltagsfähigkeit zunehmend.
Warum sind besonders Patientinnen im mittleren Alter davon betroffen?
Gerade bei Frauen kommt es oftmals bereits in der Jugend zu einer habituellen Instabilität des Daumensattelgelenkes, welche in weiterer Folge zwar zunächst unbemerkt bleiben kann, jedoch dann frühzeitig, d.h. mit 35 – 40 Jahren schon zu ersten Abnützungen und Degenerationen des Gelenkes, und somit entsprechenden Beschwerden kommen kann.
Gibt es Früherkennungsmerkmale in jungen Jahren, die eine solche Arthrose wahrscheinlicher bzw. vorhersagbarer machen?
Einerseits hilft die klinische Diagnostik – sofern der Arzt mit dem Krankheitsbild vertraut ist – andererseits können knöcherne Prädispositionen, wie ein zu schmales Trapezium, im Röntgen entdeckt werden.
Welche konservativen Möglichkeiten haben Patient:innen, um die Entwicklung einer Rhizarthrose hinauszuzögern?
Grundsätzlich ist Bewegung und Mobilität, gegebenenfalls auch Ergotherapie sehr gut, auch wenn man eine solche Arthrose langfristig nicht wirklich vollständig hintanhalten kann.
Eine Bandinstabilität oder eine Fehlbildung des Daumensattelgelenks sind ein Risikofaktor für die Entstehung einer Rhizarthrose. Gibt es operative Verfahren, um Rhizarthrose vorzubeugen?
Eine frühzeitige Bandstabilisierung des Daumensattelgelenkes im Falle einer habituellen Instabilität ist sicherlich als sinnvoll zu betrachten. Auch im Stadium I der Rhizarthrose, in der es durch den entzündlichen Prozess noch zu einer temporären Gelenkerweiterung kommt, ist eine Stabilisierung sinnvoll.
Bei einer schon manifestierten Rhizarthrose: Welche konservativen Therapieformen würden oder können Sie betroffenen Patient:innen empfehlen?
Physikalische Therapien, orale Schmerzmedikamente/Entzündungshemmer, Injektionen oder Schienen können kurz- bis mittelfristige Abhilfe schaffen.
Auch eine ergotherapeutische Betreuung sollte bei eindeutiger Symptomatik forciert werden, um Übungen für den Alltag zu erlernen. Über frühzeitige operative Verfahren wie Fettinjektionen ins Gelenk gibt es noch zu wenig Daten.
Aus unserer Erfahrung heraus – Selbsthilfeorganisation Arthrose Forum Austria – bemerken wir immer wieder, dass den wenigsten Rhizarthrose-Betroffenen – egal in welchem Arthrose Stadium – bei Erstkontakt Ergotherapie empfohlen bzw. verschrieben wird. Hingegen ist es üblich, bei Arthrose in Knie und Hüfte Physiotherapie zu verschreiben. Gibt es dafür eine Erklärung, und wie handhaben Sie das?
Aus meiner Sicht wird die Rhizarthrose oftmals erst relativ spät diagnostiziert, und dann der Ergotherapie leider nicht mehr der entsprechende Stellenwert gegeben. Trotz allem gehört dies sicherlich ins Armamentarium der Betreuung und sollte empfohlen werden. Gerade Alltagstätigkeiten und wie man damit umgeht, stellt einen essenziellen Behandlungsschritt hierbei dar.
Rhizarthrose-Betroffene klagen häufig über Kraftverlust und Bewegungseinschränkung. Welche konservativen und operativen Techniken empfehlen sich hier, und kann die Kraft und Greiffunktion nach operativen Eingriffen wieder gut hergestellt werden? Was sind hier Ihre Erfahrungswerte?
Wie angesprochen ist sicherlich Bewegung und Therapie sinnvoll, um das Gelenk bestmöglich „geschmiert“ zu halten. Im Fall einer Operation kann die Kraft üblicherweise wieder gut hergestellt werden, hängt aber auch von der jeweiligen OP-Technik ab.
Wenn konservativ alles ausgeschöpft ist: Welche Eingriffe (auch Infiltrationen mit Kortison, Hyaluron, Eigenfett, Eigenblut, etc. bitte ansprechen) können aus Ihrer Sicht und Erfahrung zur Schmerzlinderung beitragen?
Infiltrationen mit Betäubungsmitteln und Kortison helfen sicherlich gut im kurz- bis maximal mittelfristigen Bereich. Für Hyaloronsäure-Injektionen -auch, wenn diese Indikation seltener als z. B. im Knie bedacht wird, gibt es ganz akzeptable Evidenz.
Auch gibt es Hinweise dafür, dass Eigenfett- und Eigenblut Beschwerdelinderung ermöglichen, auch wenn hier die Datenlage noch sehr dürftig ist, und hochwertige, längerfristige Studien fehlen.
Welche Operationstechniken (z. B. Resektions-Arthroplastik, Versteifung, künstliches Gelenk) gibt es? Wie hoch sind ihre Erfolgschancen hinsichtlich der Wiederherstellung der Daumenfunktion und Schmerzreduktion?
Die etablierten Techniken zur Operation sind üblicherweise Resektionssuspensions-Arthroplastiken, bei der der arthrotische Knochen entfernt wird, und der Daumen mit einer Sehnenschlinge fixiert wird. Dies ist ein seit Jahrzehnten etabliertes Verfahren mit ausgezeichneten Langzeitergebnissen.
Alternativ kann in speziellen Fällen eine Daumensattelgelenkprothese indiziert sein. Hier werden die Ergebnisse langsam als immer besser beschrieben, auch wenn dieser Eingriff nicht für jeden Patienten geeignet ist. Bei beiden Techniken ist der Funktionszugewinn sehr groß und eine sofortige Schmerzfreiheit gewährleistet.
Versteifungen werden heutzutage eigentlich kaum bis gar nicht mehr durchgeführt und sollten ggf. ausgewählten Fällen nach Mehrfachrevisionen vorbehalten werden.
Neben dem Daumen sind auch oft andere Bereiche der Hand von Arthrose betroffen. Welche konservativen und operativen Möglichkeiten gibt es bei Heberden- und Bouchardarthrose in den Fingerend- und Fingermittelgelenken, und wie sind die Erfolgschancen?
Neben der angesprochenen Ergotherapie und Infiltrationen sind vor allem physikalische Therapien wie Paraffinbäder, Iontophoresen, Ultraschall oder Interferenzstrom sinnvolle Möglichkeiten zur Schmerztherapie.
Sogenannte Knorpelmedikamente oder Nahrungsergänzungsmittel konnten in keinen Studien einen wirklichen Effekt beweisen, auch wenn sie von Patient oft gerne eingenommen werden.
Abschließend: Gefühlt gibt es bei den großen Gelenken sehr viel Aufmerksamkeit, Forschungsarbeit, etc. – hingegen wird der Hand bzw. den Gelenken in der Hand weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Könnten Sie für unsere Arthrose Community zusammenfassen, was momentan der aktuelle Stand der Forschung bei Arthrose an der Hand ist, welche die vielversprechendsten Behandlungsmethoden sind und was in der Pipeline ist an möglichen neuen oder verfeinerten Therapien?
Wie von Ihnen angesprochen, gibt es einiges in der Arthroseforschung, allerdings wenig betreffend der Hände. Viele Studien beschäftigen sich mit rheumatisch-arthrotischen Fragestellungen, während die idiopathische Arthrose weniger erforscht wird.
Nichts desto trotz gibt es mannigfaltige Fragestellungen und alternative Therapieoptionen die derzeit erforscht werden. Dies reicht von Radiotherapie bis zu Nahrungsergänzungsmitteln oder verlassenen Medikamenten wie Chloroquin, Colchizin oder anderen antiinflammatorischen Medikamenten oder Denervierungen der Fingergelenke.
Sicherlich ist die autologe Fettinjektion ein spannender Ansatz, der möglicherweise in wenigen Jahren etabliert sein könnte, sofern sich eine langanhaltende Wirkung heraus stellen könnte. Einige Studien beschäftigen sich mit funktionellen Therapien per se und unterstreichen den ergotherapeutischen Stellenwert in der Behandlung.
Hinweis: Die hier geteilten Informationen sollen zur Stärkung der persönlichen Gesundheitskompetenz beitragen, ersetzen aber in keinem Fall die ärztliche Diagnose, Beratung und Behandlung.
Foto: beigestellt
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