Was steckt in Hüfte und Knie?
Arthrose

Moderne Implantatmaterialien: Was heute in Hüfte & Knie steckt

Zuletzt aktualisiert am 28. Juli 2025 von tirolturtle

Neue Materialien machen künstliche Gelenke belastbarer und langlebiger. Was Patienten über Titan, Keramik, HXPE & Co. wissen sollten.

Haltbar, belastbar, individuell: Was moderne Implantatmaterialien heute leisten

Moderne Gelenkprothesen halten länger, erzeugen weniger Abrieb und ermöglichen mehr Bewegung – auch bei Arthrosepatient:innen, die sportlich aktiv bleiben möchten. Doch welches Material ist das richtige? Und wie wird darüber entschieden? Ein Überblick über aktuelle Entwicklungen, Studien und Empfehlungen – mit Blick auf Österreich.

Warum das Material entscheidend ist

Wer ein künstliches Gelenk erhält – meist an Hüfte oder Knie – wünscht sich vor allem eines: Haltbarkeit, Sicherheit und möglichst wenig Einschränkungen. Genau hier kommt das Material ins Spiel. Denn es beeinflusst, wie stark sich ein Implantat abnutzt, wie es im Körper verankert wird – und wie lange es hält.

Noch vor 20 Jahren war der typische Rat vieler Orthopäden: das neue Gelenk lieber schonen. Heute ist das Gegenteil der Fall: Bewegung ist ausdrücklich erwünscht, denn moderne Materialien sind deutlich belastbarer als früher. Vorausgesetzt, sie passen zur individuellen Situation.

Welche Materialien werden heute verwendet?

In der Endoprothetik haben sich drei Materialgruppen etabliert:

Metalle und Legierungen

  • Titanlegierungen werden häufig für Schaft- und Pfannenkomponenten verwendet, weil sie leicht, stabil und sehr gut verträglich sind.

  • Kobalt-Chrom-Legierungen kommen vor allem bei stark belasteten Komponenten zum Einsatz, z. B. bei Knieprothesen.

Keramik

  • Keramikköpfe sind besonders abriebfest und daher oft erste Wahl bei jüngeren, aktiven Patient:innen.

  • Sie kommen in der Kombination Keramik-Keramik oder Keramik-HXPE (hochvernetztes Polyethylen) zum Einsatz.

Kunststoffe (Polyethylen)

  • Die größte Entwicklung gab es beim Polyethylen:

    • HXPE (hochvernetztes Polyethylen) reduziert den Abrieb drastisch.

    • Vitamin-E-stabilisiertes HXPE ist besonders haltbar und schützt vor Oxidation.

Auch neue Technologien wie 3D-gedruckte Implantate oder Nanobeschichtungen zur besseren Knochenanbindung gewinnen an Bedeutung – vor allem bei individuellen oder zementfreien Lösungen.

Was sagen aktuelle Studien?

Die Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik (AE) und das Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) bestätigen:
Moderne Materialkombinationen verlängern die Haltbarkeit deutlich.

  • Keramik-Keramik-Gleitpaarungen zeigen laut Registerdaten besonders bei Patienten unter 65 Jahren sehr gute Langzeitergebnisse.

  • Auch Keramik-HXPE ist heute Standard – insbesondere bei Hüftprothesen.

Eine häufig genannte Kombination:
Keramikkopf + Vitamin-E-stabilisierte HXPE-Pfanne – sie erlaubt eine hohe Belastbarkeit bei gleichzeitig sehr geringem Abrieb.

Wie wird das passende Material ausgewählt?

Die Entscheidung für eine bestimmte Gleitpaarung oder Verankerungstechnik fällt nicht pauschal, sondern wird individuell im ärztlichen Beratungsgespräch getroffen. Wichtige Faktoren sind:

  • Alter und allgemeiner Gesundheitszustand

  • Anatomie und Knochensubstanz

  • Geplante Sportarten oder Belastungen im Alltag

  • Bisherige Operationen oder Grunderkrankungen

Tipp: Sprich das Thema „Materialwahl“ aktiv an – vor allem, wenn du sportlich aktiv bist oder es wieder werden möchtest.

Was bedeutet das für sportliche Patienten?

Die frühere Empfehlung, ein künstliches Gelenk zu schonen, gilt heute nur noch eingeschränkt. Dank abriebfester Materialien ist moderat regelmäßige Bewegung ausdrücklich erwünscht – auch, um die Muskulatur rund ums Implantat zu kräftigen.

Geeignete Sportarten:

  • Wandern, Schwimmen, Radfahren, Nordic Walking, Golf

Mit Vorsicht:

  • Skifahren oder Tennis sollten individuell mit dem Arzt abgestimmt werden

Nicht empfohlen:

  • Kontaktsportarten oder Leistungssport mit hoher Stoßbelastung

Prof. Dr. Florian Gebhard, Präsident der AE, betont:

„Mit der Einführung verschleißresistenter Materialien sind wichtige Voraussetzungen für eine stärkere Belastung künstlicher Hüften erfüllt. Tägliche moderate Bewegung ist heute bei jedem Patienten möglich – und gewünscht.“

Und wie ist die Situation in Österreich?

Auch in Österreich kommen moderne Materialien standardmäßig zum Einsatz. Die Auswahl und Verankerung richten sich nach denselben Prinzipien wie in Deutschland oder der Schweiz. Allerdings fehlt derzeit noch ein vollständig etabliertes Endoprothesenregister, wie es das EPRD in Deutschland darstellt.

Einige Kliniken melden aber bereits Daten ins österreichische EAR-System, das sich in Weiterentwicklung befindet. Wichtig für Patienten: Zertifizierte Zentren erkennen!

Wer eine Klinik mit hoher Spezialisierung sucht, kann auf das EndoCert-System der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) zurückgreifen.

Auf www.endomap.de können Patienten gezielt nach zertifizierten EndoProthetikZentren in Österreich, Deutschland, der Schweiz oder Luxemburg suchen – einfach nach Postleitzahl oder Region filtern.

Interviews mit dem Wiener Hüftexperten Dr. Jochen Hofstätter über die Situation in Österreich undmit Prof. Dr. Reinhard Windhager findest du ebenfalls im Arthrose Magazin:

Gemeinsam entscheiden – und gezielt informieren

Für Betroffene ist es nicht immer leicht, sich im „Material-Dschungel“ zurechtzufinden. Umso wichtiger ist die persönliche ärztliche Beratung und die eigene Vorbereitung:

  • Klare Ziele formulieren: Welche Belastung wünsche ich mir?
  • Fragen stellen: Welches Material kommt zum Einsatz und warum?
  • Informieren über Registerdaten, Studien und Erfahrungsberichte, z. B. in der Facebookgruppe TEPFIT – Fit mit künstlichen Gelenken

Neue Materialien und Konzepte im Überblick

Die Entwicklung neuer Implantatmaterialien steht heute nicht mehr isoliert – sie ist Teil einer umfassenderen Bewegung hin zu individueller, anatomiegerechter und bewegungsfreundlicher Endoprothetik. Drei Beispiele dafür:

A2® Kurzschaftprothese von ARTIQO

Dieses System zeigt, wie biomechanische Analysen, Registerdaten und klinische Erfahrung zusammengeführt werden können. Der A2®-Kurzschaft ist heute für viele Patient:innen eine zementfreie, gelenkschonende Lösung mit nachgewiesener Stabilität – selbst bei schwieriger Knochensubsta

Personalisierte Knieprothesen von Conformis

In den USA sind vollständig personalisierte Implantate auf dem Vormarsch. Conformis passt jede Prothese exakt an das Knie des einzelnen Patienten an. Eine Vergleichsstudie mit beidseitig operierten Patienten zeigt: Das individuell angepasste Knie wird deutlich bevorzug

Sprunggelenksprothesen mit HXPE & Keramik

Auch das Sprunggelenk profitiert von Materialinnovationen. Systeme wie TARIC® kombinieren Keramikbeschichtungen und abriebfeste Gleitflächen für mehr Funktionalität bei deutlich weniger Reibung.

Hinweis: Die hier geteilten Informationen sollen zur Stärkung der persönlichen Gesundheitskompetenz beitragen, ersetzen aber in keinem Fall die ärztliche Diagnose, Beratung und Behandlung.

Redaktioneller Beitrag von Barbara Egger-Spiess, Gesundheitsjournalistin & Herausgeberin des Arthrose Magazins

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