Knorpelschaden Knie und Therapie: Was ist ein Knorpelschaden? Warum ist die frühzeitige Therapie so wichtig? Knorpelexperte Dr. Wolfgang Zinser klärt auf!
Knorpelschaden Knie und Therapie, insbesondere regenerative Therapien, sind ein komplexes Thema. Für Arthrose Betroffene und Patient*innen mit Knorpelschaden am Knie ist es schwer, sich eine Übersicht über die neuesten Behandlungsmethoden zu verschaffen und sich in der Thematik zurechtzufinden.
Das beginnt bereits bei der Frage, warum ein Knorpelschaden am Knie frühzeitig behandelt werden sollte, warum Knorpelregeneration und Gelenkserhalt in Österreich leider immer noch unterrepräsentiert ist und warum zu früh und zu häufig vermeidbare künstliche Gelenke eingesetzt werden. Dazu mehr im Beitrag: Knorpelschaden und regenerative Therapien
Damit sich die Tirolturtle Leser*innen sowie interessierte Arthrose und Knorpelschaden Patient*innen einen Einblick in diese Thematik verschaffen und damit auch ihre Health Literacy stärken können, startet das Projekt „Knopelschaden Knie und Therapie: Fragen und Antworten aus Patientensicht“.
Das Projekt zur Aufklärung über die Behandlung von Knorpelschäden und Knorpeltherapien für das Knie für Patient*innen mit Arthrose, Knorpelschäden, Kreuzbandverletzungen, Meniskusrissen, etc. ist eine gemeinsame Initiative von:
- Dr. med. Wolfgang Zinser, Facharzt für Orthopädie und Traumatologie, mit Praxis Orthoexpert in Knittelfeld in der Steiermark und Operationstätigkeit in den Privatkliniken Graz Ragnitz und EMCO Hallein
- Initiator und Gründungsmitglied des Expertenkreises für Gelenkerhalt und Knorpelregeneration Österreich und Leiter der Hüft-Sektion Sport- und Gelenkserhaltende Orthopädie und Traumatologie der ÖGOUT (Österreichische Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie),
- Barbara Egger-Spiess, Journalistin und Gesundheitsbloggerin, Gründerin der digitalen Arthrose Selbsthilfe in Österreich sowie der Plattformen Arthrose Forum Austria und arthro.fibrose
Gemeinsam haben wir dazu die wichtigsten Fragen (FQAs) rund um Knorpelschaden am Knie und regenerative Therapien festgelegt.
Die Antworten auf diese FQAs (häufig gestellte Fragen) gibt es von Experte Dr. med Wolfgang Zinser in Textform sowie in Form von kurzen und verständlichen Aufklärungsvideos.
Knorpelschaden Knie und Therapie: Fragen an Dr. med Wolfgang Zinser
1. Was ist ein Knorpelschaden und warum sollten Knorpelschäden am Knie so früh wie möglich therapiert werden?
Dr. med. Wolfgang Zinser: Der Gelenkknorpel ist außerordentlich wichtig dafür, dass Druckbelastungen im Gelenk gleichmäßig verteilt werden und gleichzeitig zusammen mit der Gelenkflüssigkeit eine nahezu reibungslose Bewegung des Gelenkes möglich ist.
Wenn ein Knorpelschaden entsteht, wird dieses System gestört und die Gelenkfunktion ist eingeschränkt und Schmerzen können entstehen.
Meistens entstehen diese Knorpelschäden an kleineren Stellen die dann aber unbehandelt leider immer größer werden und dann über die die Zeit in einen generalisierten Gelenkverschleiß münden – das nennt man dann Arthrose.
Ist erst einmal eine Arthrose entstanden, ist sie leider nicht mehr umkehrbar und bei hohem Leidensdruck bleibt dann nur das künstliche Gelenk!
Deshalb sollte man unbedingt Knorpelschäden wenn sie entstanden sind so früh wie möglich und richtig behandeln damit eben möglichst keine solche Arthrose entsteht.
Wir wissen heute aus guten Studien das ca. 21 % der Knieprothesen durch eine rechtzeitige und korrekte Knorpeltherapie vermeidbar wären.
Also, die wichtigste Aussage ist: Arthrose ist oft keine unvermeidbare Folge des Älterwerdens, sondern häufig die Konsequenz einer nicht rechtzeitigen oder falschen Therapie eines lokalisierten Knorpelschadens. Man sollte unbedingt rechtzeitig das richtige tun.
2. Was sind die Voraussetzungen für eine Knorpeltherapie am Knie?
Dr. med. Wolfgang Zinser: Damit eine Knorpeltherapie am Kniegelenk optimale Behandlungsergebnisse erzielen kann, sollten neben dem Knorpelschaden möglichst keine weiteren krankhaften Veränderungen vorliegen.
Wenn z. B. O-Beine oder X-Beine, größere Meniskus Schäden, Instabilitäten wegen z. B. Kreuzbandrissen, ein Fehllauf oder Instabilität der Kniescheibe vorhanden sind, müssen diese vor oder zusammen mit der geeigneten Knorpeltherapie möglichst korrigiert werden.
Außerdem spielt das biologische Alter eine Rolle: Mit zunehmendem Alter über 55 Jahre funktioniert eine Knorpelregeneration nicht mehr so gut wie in jüngeren Jahren.
Aber auch der Knorpeldefekt selbst sollte nicht zu alt sein und es sollte möglichst noch keine Arthrose entstanden sein. Wenn man mit einem Knorpeldefekt länger als 3 Jahren mit der Behandlung wartet, werden die Ergebnisse schlechter.
3. Wovon hängt die Auswahl des geeigneten Therapieverfahrens für den einzelnen Patienten ab?
Dr. med. Wolfgang Zinser: In erster Linie bestimmen die Größe und die Lokalisation des Knorpeldefektes die Auswahl des Knorpeltherapieverfahrens. Durch viele sehr gute Studien, die in der Vergangenheit hierüber durchgeführt wurden wissen wir heute sehr genau, welche Therapien langfristig die besten Erfolge erzielen.
Außerdem ist noch wichtig, ob es sich um einen reinen Knorpeldefekt handelt oder aber auch der darunterliegende Knochen betroffen ist.
Ziel des Therapieverfahrens muss es sein, für den Patienten mit diesem Verfahren möglichst eine Regeneration des Knorpels in dem Defekt und eine entsprechende Beschwerdelinderung über mindestens 10-15 Jahre zu erreichen, und das Entstehen einer Arthrose zu verhindern oder zumindest hinaus zu schieben.
4. Ist eine konservative Therapie von Knorpelschäden am Knie möglich? Welche Therapien und Hilfsmittel gibt es?
Dr. med. Wolfgang Zinser: Für einen größeren lokalisierten Knorpeldefekt gibt es leider nach heutigem Wissensstand keine konservative Therapie, die zu einer Ausheilung dieses Schadens führt.
Konservative Therapie ist dann möglich und auch sinnvoll, wenn schon eine das ganze Gelenk betreffende Arthrose entstanden ist, oder eine operative Therapie aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich ist.
Zu den konservativen Therapieverfahren gehören eine Physiotherapie, medikamentöse Behandlung zur Reduktion der Schmerzen und einer Entzündung, eine geeignete Ernährung, gegebenenfalls Nahrungsergänzungsmittel, geeignete Hilfsmittel wie entlastende Schuheinlagen und Orthesen, sowie zunehmend auch wieder die Traktionsbehandlung (z.B. Flextrainer oder GEX Gelenkexpander), bei der durch längeren Zug am Bein, die Gelenkflächen entlastet und somit ein verbesserter Stoffwechsel in Gang gesetzt werden kann.
Außerdem werden Injektionen mit Hyaluronsäure und plättchenreichem Plasma aus dem eigenen Blut gewonnen, eingesetzt. All diese konservativen Therapien können zwar die Symptome deutlich lindern und die Funktion des Gelenkes verbessern, aber nach heutigem Kenntnisstand den Knorpel nicht nachhaltig regenerieren.
5. Welche operativen Therapieverfahren bei Knorpelschäden am Knie gibt es? Welche Fortschritte gibt es in diesem Bereich und welche sind noch zu erwarten?
Dr. med. Wolfgang Zinser: Grundsätzlich kann man unterscheiden zwischen Eingriffen, die das Gelenk erhalten und den Knorpel regenerieren sollen und denen, die das volle Gelenk oder Teile davon ersetzen mit einem künstlichen Gelenkanteil.
Bei den knorpelregenerierenden Techniken unterscheiden wir zwischen einzeitigen und zweizeitigen Verfahren. Bei den einzeitigen Verfahren wird eine Technik angewandt, die in derselben Operation durchgeführt werden kann und damit die operative Behandlung beendet ist.
Bei der zweizeitigen Technik handelt es sich im Allgemeinen um eine Knorpelzelltransplantation, bei der in dem ersten Eingriff Knorpelproben entnommen werden aus denen dann Knorpelzellen in einem externen Labor isoliert, vermehrt und angezüchtet werden. Diese angezüchteten Zellen werden dann in einer zweiten Operation in den Knorpeldefekt transplantiert.
Die wichtigsten Fortschritte wurden in den letzten Jahren vor allem in der Entwicklung von minimal invasiven und arthroskopischen Techniken für die etablierten Verfahren erzielt.
Große Hoffnungen werden auf die Nutzung von körpereigenen oder aber Spenderstammzellen zur Knorpelregeneration gesetzt. Im Tierversuch zeigen diese vielversprechenden Ergebnisse, die aber aufgrund regulärer Hürden für den Menschen noch in weiterer Zukunft liegen.
6. In Zusammenhang mit gelenkerhaltenden Knorpeltherapien gibt es unterschiedliche Begriffe, wie Stammzellentherapie, Mikrofakturierung, Nanofrakturierung, Mikro-Drilling, matrix-gestützte Knochenmarkstimulation, Bone Marrow Stimulation (BMS), Gelenkknorpelrefixation, Osteochondrale Transplantation, Minced Cartilage, Autocart®️, osteochondrale Läsion, etc….
Was bedeuten diese Begriffe? Wie können sich die Patienten in diesem Begriffsdschungel zurechtfinden? Was müssen Patienten tatsächlich wissen?
Dr. med. Wolfgang Zinser: Auf den ersten Blick sehen die Bezeichnungen für die unterschiedlichen Knorpelregenerationstherapien schon verwirrend aus. Aber eigentlich ist es nicht so schwer, vor allem wenn man sich an den international publizierten Empfehlungen und Leitlinien der Fachgesellschaften orientiert.
- Was versteht man unter Mikrofrakturierung, Nanofrakturierung, Mikrodrilling, Bone Marrow Stimulation?
Unter dem Oberbegriff Knochenmarkstimulation, in Englisch Bone Marrow Stimulation Abkürzung BMS, fallen Begriffe wie Mikrofrakturierung, Nanofrakturierung, Mikro-Drilling, Pridie-Bohrung.
Das Prinzip besteht darin, dass ursprünglich am knöchernen Boden des Knorpeldefektes mit speziellen Instrumenten kleine Löcher eingestanzt oder eingebohrt werden, aus denen dann aus dem darunterliegenden Knochenmark Stammzellen in den Defekt gelangen sollen, die dann in der Lage sein sollen, den Defekt mit einem Knorpelregenerat zu füllen.
Diese Technik war über viele Jahre weit verbreitet und tritt nun immer mehr in den Hintergrund, da die Weiterentwicklungen deutlich bessere und länger anhaltende Ergebnisse gezeigt haben. Zusammenfassend wird die reine Knochenmarkstimulation oder Mikrofrakturierung am Kniegelenk immer seltener durchgeführt und allenfalls nur noch bei sehr kleinen Defekten bis 1,5 cm².
- Was versteht man unter Matrix gestützte Knochenmarkstimulation oder mBMS?
Die matrixgestützte Knochenmarkstimulation, in Englisch als mBMS bezeichnet, ist eine deutliche Weiterentwicklung der BMS, die zu einem besseren Knorpelregenerat und länger anhaltenden Ergebnissen geführt hat.
Zu der Knochenmarkstimulation wird eine Membran verwendet, die in der Lage sein soll, Stammzellen, die potenziell Knorpel neu bilden können, in der Membran am Defektort zu halten.
Mit der Zeit bauen sich die Membranen ab und der neu gebildete Knorpel bleibt. Diese Techniken sind wirksam bis zu Knorpeldefektgrößen von 4-4,5 cm². Die Technik wird auch häufig als AMIC Technik bezeichnet obwohl eigentlich damit die Verwendung einer ganz speziellen Membran gemeint ist.
- Was versteht man unter dem BMAC Verfahren?
Bei einer Weiterentwicklung der matrixgestützten Knochenmarkstimulation werden im Defekt keine Löcher mehr in den Knochen gemacht, um Stammzellen daraus zu gewinnen, sondern man lässt den Knochen unter dem Knorpeldefekt in Ruhe und schädigt ihn nicht durch Bohrungen.
Die Stammzellen werden dann an einer anderen Stelle in viel größerer Menge gewonnen z. B. aus dem Beckenkamm und werden dann gegebenenfalls aufbereitet auf die Membran gebracht, die dann in den Defekt eingebracht wird.
Man nennt diese Weiterentwicklung das BMAC-Verfahren = Bone Marrow Aspirate Concentrate, zu deutsch „Konzentriertes abgesaugtes Knochenmark“.
- Was bedeutet „osteochondrale Läsion und osteochondrale Transplantation?
Der Begriff Osteochondral bezeichnet, dass hier Knochen und Knorpel betroffen ist von „Osteo“ =Knochen und Chondro= Knorpel. Dementsprechend ist eine osteochondrale Transplantation eine Transplantation eines Knorpel- und Knochenteils und eine osteochondrale Läsion ist ein gleichzeitiger Knochen- und Knorpeldefekt.
Bei der osteochondralen Transplantation werden Knorpelknochenzylinder aus einem wenig belasteten Bereich des Kniegelenkes in den betroffenen Knorpel Knochendefekt gebracht.
Die Technik wird bis zu einer Defektgröße von 1,5 cm² und vorzüglich bei Knorpelknochendefekten empfohlen, da sie dann beide Gewebe ersetzt. Der Nachteil ist, dass an anderer Stelle im Knie wo wenig Belastung auftritt ein Defekt für die Entnahme gesetzt werden muss, deshalb werden maximal 2 Zylinder empfohlen.
- Was versteht man unter dem „minced Cartilage“ Verfahren und Autocart?
Mit minced Cartilage wird eine Technik bezeichnet, bei der Knorpel aus den Defekträndern oder aus wenig belasteten Bereichen in kleine Stückchen geschnitten oder mit sogenannten Shavern geschreddert wird der dann im Defekt homogen verteilt wird.
Die Technik ist relativ neu und wird außerordentlich unterschiedlich durchgeführt. Teilweise wird sie kombiniert mit Knochenmarkstimulation, teilweise mit Membranen, häufig mit plättchenreichen Plasma, manchmal mit allem zusammen.
Die spezielle Technik einer großen Firma zu diesem Verfahren wird Autocart ® genannt. Bisher liegen keine wissenschaftlich belastbaren Daten vor die zeigen das dieses Verfahren ein Vorteil gegenüber den vorgenannten Verfahren bringt. Darüber müssen die Patienten vor Anwendung einer solchen Therapie aufgeklärt werden.
7. Wie können sich Patient*innen einen Überblick über diese Verfahren verschaffen und vor allem, welche Therapien entsprechen den Standards bzw. Behandlungsempfehlungen (wer gibt diese vor?) und welche Therapien bergen Risiken?
Dr. med. Wolfgang Zinser: Einen Überblick können sich die Patienten z. B. auf der Webseite unserer Fachgesellschaft der Gesellschaft für Knorpelregeneration und Gelenkerhalt QKG verschaffen.
Die aktuellen Behandlungsempfehlungen für Deutschland, Österreich und der Schweiz basieren auf den aktuell zu den Verfahren publizierten wissenschaftlichen Studien.
Am meisten verbreitet ist die 2022 publizierte Behandlungsempfehlung der AG klinische Geweberegeneration der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), die auch internationale Anerkennung gefunden hat.
Eine aktualisierte Empfehlung für Österreich ist aktuell zur Publikation freigegeben und wird Ende 2024 erwartet.
Wenn man sich nach den Behandlungsempfehlungen orientiert bestehen außer den üblichen Operationsrisiken eigentlich wenig Risiken für den Patienten und in Abwägung bei geeigneter Indikation deutlich mehr Chancen auf eine lang anhaltende Lebensqualität als Risiken.
8. Die Knorpelzellentransplantation sieht Verfahren wie die Chondrozyten-Transplantation (ACT) und die matrixinduzierte Autologe Chondrozytentransplantation (mACT) vor. Was kann man sich darunter vorstellen und weshalb werden diese Therapien als Goldstandard in der Knorpeltherapie am Knie eingestuft?
Dr. med. Wolfgang Zinser: Die autologe Knorpelzelltransplantation oder autologe Chondrozytentransplantation – ACT- ist eines der am besten untersuchten Verfahren der Orthopädie und Unfallchirurgie.
Chondrocyt bedeutet Knorpelzelle, autolog bedeutet körpereigen. Zahlreiche Langzeitstudien haben bewiesen: 80 % der Patienten, die mit dieser Therapie behandelt werden, dürfen mit einer Beschwerdefreiheit und guter Mobilität auch nach 10-15 Jahren und länger rechnen.
Empfohlen wird die mACT ab 2 cm² Defektgröße und viele bezeichnen das Verfahren bei großen Defekten über 4cm² als „alternativlos.
Bisher konnte kein anderes bekanntes Verfahren bei den großen Defekten diese Ergebnisse erzielen, deshalb die Bezeichnung Goldstandard.
9. Für wen ist diese Therapie der mACT geeignet und wie läuft eine Knorpeltransplantation ab? Warum kommt es bei einer Knorpeltherapie auf die Größe des Knorpelschadens an?
Dr. med. Wolfgang Zinser: Die Therapie ist geeignet für Patienten mit einem lokalisierten Knorpelschaden ab einer Größe von 2 cm² möglichst ohne relevante Arthrosezeichen.
Dabei werden in einem ersten Eingriff arthroskopisch wenige Mengen körpereigenen Knorpels entnommen und zusammen mit Patientenblut an ein Labor gesendet, das dann die Knorpelzellen isoliert und vermehrt, bis ausreichend Knorpelzellen für die Behandlung des Knorpelschadens vorhanden sind.
Heutzutage wird nur noch die matrixinduzierte Chondrozytentransplantation mACT angewendet, da diese im Vergleich zur klassischen Methode, wo die Zellen flüssig unter einen wasserdicht vernähten Knochenhautpatch gespritzt wurden, deutliche Vorteile bringt.
Das bedeutet, dass die Zellen entweder auf einer Membran oder in einem dreidimensionalen Gel oder aber in einer selbstgebildeten Matrix zum Chirurgen zur Transplantation nach Anzüchtung zurückkommen.
Die Größe des Knorpeldefektes hat sich als entscheidender Faktor für die Auswahl des Knorpel-Therapieverfahrens in allen wissenschaftlichen Studien gezeigt. Die mACT ist als einziges Verfahren auch bei sehr großen Knorpeldefekten in der Langzeituntersuchung wirksam.
10. Und was bedeutet das, wenn bei Patienten Arthrose oder ein Knorpelschaden diagnostiziert wird.
Dr. med. Wolfgang Zinser: Häufig steht in einem MRT-Befund oder Röntgenbefund die Diagnose Arthrose oder Arthrose Grad XY, der Arthrosegrad und die Arthroseform die häufig auch lokalisiert gemeint ist spielt eine entscheidende Rolle, ob noch eine Knorpelregeneration möglich ist oder nicht.
Deshalb wird sich der Knorpelchirurg und Knorpelspezialist immer die MRT und Röntgenbilder persönlich ansehen und beurteilen und sich nicht nur auf den Befund des Radiologen verlassen.
Wichtig ist, dass zur richtigen Diagnostik neben dem MRT immer auch eine Röntgenuntersuchung des Kniegelenkes in zwei Ebenen und eine Kniescheibenaufnahme und immer eine Ganzbeinstandaufnahme zur Beurteilung der Beinachse erforderlich ist.
11. Wie hoch sind in etwa die Kosten für eine matrixinduzierte Autologe Chondrozytentransplantation (mACT), wer führt diese durch, wie viel Erfahrung braucht es dafür und werden die Kosten in Österreich und der Schweiz so wie in Deutschland von den Krankenkassen übernommen?
Dr. med. Wolfgang Zinser: Die Kosten für eine mACT liegen bei 8.000-13.000 Euro – je nach Herstellerfirma – nur für die Zellzüchtung!
In Österreich und Deutschland gibt es mehrere Produkte für die mACT die von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden.
In der Schweiz, die formal nicht zur europäischen Union gehört, sind Produkte mit einer europäischen Zulassung momentan (Stand Oktober 2024) noch in einem individuellen Erstattungsprozess.
In Deutschland wird die mACT zunehmend auch ambulant durchgeführt. Der Chirurg bzw. die Einrichtung brauchen eine offizielle Zulassung von den Behörden.
Zur erfolgreichen Behandlung von Knorpelschäden und gegebenenfalls auch der Begleitpathologien braucht es speziell dafür ausgebildete Ärzte und Knorpelspezialisten.
Es gibt von verschiedenen Fachgesellschaften dafür Ausbildungsprogramme und ein Patient wäre gut beraten, einen Spezialisten aufzusuchen, der diese Ausbildungsprogramme absolviert hat und ein Zertifikat auf diesem Gebiet vorweisen kann.
12. Wie kann sich ein Patient auf eine Knorpeltransplantation optimal vorbereiten? Wie schaut es mit der Nachbehandlung aus? Was muss beachtet werden?
Dr. med. Wolfgang Zinser: Inzwischen gibt es sogenannte prä-OP Rehabilitationsprogramme vor vielen Eingriffen so auch vor einem Knorpeleingriff.
Der Patient sollte vor der Knorpelprobenentnahme und im gesamten Heilungsprozess möglichst nicht rauchen, sich gesund ernähren und die Behandlungsprotokolle möglichst gewissenhaft einhalten.
Für die Nachbehandlung gibt es spezielle Empfehlungen der Fachgesellschaften und inzwischen auch speziell ausgebildete Physiotherapeuten, die eine Weiterbildung zur Nachbehandlung nach knorpelregenerativen Eingriffen absolviert haben.
Die QKG bietet beispielsweise ein derartiges Ausbildungsprogramm nicht nur für Ärzte, sondern auch für Physiotherapeuten an. Damit der regenerierende Knorpel in der Anfangsphase geschützt wird ist häufig eine längere Teilbelastung des Gelenkes erforderlich.
Gleichzeitig braucht es aber eine kontinuierliche Bewegung z. B. auf einer Motorschiene für sechs Wochen täglich mehrere Stunden, damit die Zellen zu einem guten Knorpelaufbau angeregt werden.
Neuere Studien zeigen das Injektionen mit PRP und Hyaluronsäure nach der Operation und bestimmte Nahrungsergänzungsmittel und Vitamine die Qualität des Knorpelregenerat verbessern können.
13. Warum ist eine erfolgreiche Knorpeltherapie nur bei gleichzeitiger Behandlung von Zusatzverletzungen (Kreuzbandriss, Meniskusschaden) zu erwarten? Warum sind in diesem Zusammenhang die Korrektur von O- und X-Beinen und die Korrektur von Bänderinstabilitäten im Kniegelenk wichtig?
Dr. med. Wolfgang Zinser: Viele Knorpelverletzungen entstehen ursächlich aufgrund von Fehlstellungen oder Instabilitäten am Kniegelenk, das heißt, dass z.B. ein Knorpelschaden auf der Innenseite des Kniegelenkes sehr häufig auch mit einem O-Bein vergesellschaftet ist, da es dadurch zu einer Mehrbelastung der Innenseite des Kniegelenkes kommt.
Analog dazu die Mehrbelastung des äußeren Kniegelenkes beim X-Bein. Auch Instabilitäten des Kniegelenkes führen zu Knorpelschäden.
Wenn also diese Veränderungen nicht behandelt werden, so wird die Knorpelregeneration nicht gelingen, da ja die eigentliche Ursache nicht behandelt wurde.
Ähnlich verhält es sich mit größeren Meniskusverletzungen. Deshalb sollte der gerissene Meniskus wenn irgendwie möglich immer genäht werden, da er ein wichtiger Druckpuffer im Gelenk ist.
Hinweis: Die hier geteilten Informationen sollen zur Stärkung der persönlichen Gesundheitskompetenz beitragen, ersetzen aber in keinem Fall die ärztliche Diagnose, Beratung und Behandlung.
Foto: Shutterstock
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