Zuletzt aktualisiert am 29. März 2025 von tirolturtle
Injektionstherapie bei Kniearthrose: Kortison, Hyaluron, PRP und mesenchymale Stammzellen – eine Übersicht und ein kritischer Vergleich.
Arthrose ist die häufigste chronische Gelenkerkrankung. Weltweit steigt die Zahl der Arthrose Fälle, wobei die Kniearthrose den größten Anteil an der Gesamtbelastung hat.
Die logische Schlussfolgerung daraus: es werden mehr orthopädische Behandlungen benötigt und die Gesundheitsausgaben steigen.
Die Schlüsselfrage lautet daher: Was hilft bei Kniearthrose wirklich? Konservative Behandlungsmethoden, wie Physiotherapie, Bewegungstraining, GLA:D Therapie und nicht zuletzt das Gewichtsmanagement, zählen zu den Eckpfeilern jeder Arthrose Therapie.
Zusätzlich gibt es bei der Kniearthrose verschiedene Injektionsverfahren, die individuell je nach Beschwerden und Krankheitsverlauf eingesetzt werden können:
- Kortison-Injektionen: Diese Spritzen werden vor allem bei starken akuten Schmerzen und Entzündungen im Knie angewendet. Sie können rasch und effektiv Schmerzen lindern, allerdings hält der positive Effekt meistens nur etwa vier Wochen an. Aufgrund der möglichen Nebenwirkungen, wie einer langfristigen Schädigung des Gelenkknorpels bei wiederholter Anwendung, sollten Kortison-Injektionen nur kurzfristig und gezielt eingesetzt werden.
- Hyaluronsäure-Injektionen: Hyaluronsäure ist eine körpereigene Substanz, die im Gelenk als eine Art Schmiermittel wirkt. Bei Kniearthrose soll diese Therapie helfen, die Gelenkbeweglichkeit bzw. Gleitfähigkeit des Gelenks zu verbessern und Schmerzen zu reduzieren, denn bei Gelenkverschleiß sinkt die Verfügbarkeit dieser natürlichen Substanz, wodurch der Gelenkknorpel an Elastizität verliert. Die wissenschaftliche Studienlage ist allerdings uneindeutig: Einige Studien zeigen nur geringe Vorteile gegenüber einem Placebo. Zudem sind Nebenwirkungen wie Schwellungen oder lokale Schmerzen möglich.
- Plättchenreiches Plasma (PRP): Bei der dieser Behandlung wird dem Patienten eigenes Blut entnommen, speziell aufbereitet und anschließend ins Kniegelenk injiziert. Das konzentrierte Plasma enthält Wachstumsfaktoren, die die Heilung des Knorpelgewebes fördern könnten. Die wissenschaftliche Bewertung dieser Methode ist bisher noch kontrovers und nicht abschließend geklärt; weitere Forschung ist erforderlich, um klare Aussagen über den Nutzen treffen zu können.
- BMAC (Bone Marrow Aspirate Concentrate) Therapie: Bei der BMAC-Therapie handelt es sich um eine spezielle Stammzellbehandlung, bei der körpereigene Stammzellen aus dem Knochenmark gewonnen und konzentriert ins arthrotische Gelenk injiziert werden. Ziel der Behandlung ist es, die Regeneration von Knorpelgewebe und damit eine mögliche Verbesserung der Gelenkfunktion anzuregen. Allerdings gibt es bislang keine eindeutigen wissenschaftlichen Beweise für eine langfristige und substanzielle Regeneration des Knorpels.
- Stammzelltherapie (Lipogems-Verfahren): Alternativ zu BMAC gibt es die Möglichkeit, Stammzellen aus Fettgewebe zu gewinnen. Dabei werden körpereigene Fettzellen entnommen, aufbereitet und anschließend ins betroffene Kniegelenk injiziert. Ähnlich wie bei BMAC soll dadurch die Regeneration von Knorpelgewebe unterstützt werden. Ein weitere Möglichkeit ist die Kombination von Fettzellen mit autologem konditionierten Plasma (ACP). Auch hier ist die Studienlage derzeit nicht eindeutig, und langfristige Vorteile sind wissenschaftlich noch nicht ausreichend gesichert.
Zusammenfassend gilt, dass Injektionen eine hilfreiche Ergänzung zur Behandlung von Kniearthrose darstellen können, jedoch die wissenschaftliche Studienlage zu den verschiedenen Injektionsmethoden uneinheitlich ist und es weiterhin offene Fragen zur langfristigen Wirksamkeit und möglichen Nebenwirkungen gibt.
Das belegt auch eine kürzlich erschienener Artikel im The Journal of Arthroscopic and Related Surgery über „Das Dilemma der Getränkewahl für den modernen orthopädischen Chirurgen – Thrombozytenreicher Martini oder Wodka-Hyaluronat“.
Darin wird dargelegt, dass der Entscheidungsprozess für die Anwendung von Injektionstherapien bei Kniearthrose, insbesondere bei BMAC selbst für erfahrene Ärzte immer komplexer werde.
Mehr dazu: The Dilemma of Drink Selection for the Modern Orthopaedic Surgeon
Patienten mit Kniearthrose können von Injektionstherapien profitieren, allerdings werden die langfristigen Vorteile kontrovers diskutiert. Vornehmlich Hyaluronsäure- und PRP-Injektionen zeigen oft nur moderate und kurzfristige Effekte und werden von medizinischen Leitlinien teils kritisch bewertet.
Stammzelltherapien gelten weiterhin als experimentell, teuer und sind meist nicht durch Versicherungen abgedeckt. Diese kritische Sichtweise unterstreicht nochmals die Wichtigkeit der individuellen Beratung mit einem spezialisierten Arzt, um realistische Erwartungen an diese Therapien zu haben.
Spannend dazu auch die PEAK-Studie. Hier wurde die Wirksamkeit von leukozytenarmem plättchenreichem Plasma (PRP) bei Patienten mit frühzeitiger symptomatischer Kniearthrose untersucht. In dieser doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Studie wurden 102 Patienten in drei Gruppen aufgeteilt: eine erhielt drei PRP-Injektionen, eine zweite Gruppe erhielt eine PRP-Injektion gefolgt von zwei Placebo-Injektionen, und die dritte Gruppe erhielt drei Placebo-Injektionen. Die Injektionen wurden wöchentlich verabreicht, und die Patienten wurden über einen Zeitraum von 12 Monaten nachbeobachtet.
Die Ergebnisse zeigten, dass alle drei Gruppen, einschließlich der Placebogruppe, eine signifikante Verbesserung im Knee Injury and Osteoarthritis Outcome Score (KOOS) im Vergleich zum Ausgangswert erzielten. Es gab jedoch keinen zusätzlichen Nutzen von PRP-Injektionen gegenüber Placebo-Injektionen.
Diese Ergebnisse legen nahe, dass sowohl einzelne als auch multiple PRP-Injektionen keinen zusätzlichen Vorteil gegenüber Placebo-Injektionen bei der Behandlung der frühen symptomatischen Kniearthrose bieten. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Abwägung bei der Entscheidung für PRP-Injektionen und betont die Bedeutung einer individuellen Beratung durch einen erfahrenen Arzt.
Wirkt die regenerative Arthrose Therapie mit den mesenchymalen Stammzellen aus dem körpereigenem Fettgewebe? Dazu kontrolliert Dr. Markus Klingenberg seit 2018 seine Fälle mit verschiedenen orthopädischen Scores. Es geht um bisher 800 Fälle insgesamt und 214 Kniepatienten, die Dr. Klingenberg zusammen mit der Uni Bielefeld im Verlauf der Jahrenausgewertet hat.
Nachzulesen in der Studie: Injection of Autologous Adipose Stromal Vascular Fraction in Combination with Autologous Conditioned Plasma for the Treatment of Advanced Knee Osteoarthritis Significantly Improves Clinical Symptoms
Die Behandlung bestand aus der Injektion von autologer stromal-vaskulärer Fraktion (SVF), gewonnen aus dem eigenen Fettgewebe der Patienten, kombiniert mit ACP. Zur Bewertung der Wirksamkeit wurden standardisierte Scores wie der Knee Injury and Osteoarthritis Outcome Score (KOOS) und der Western Ontario and McMaster Universities Osteoarthritis Index (WOMAC) vor und nach der Behandlung herangezogen.
Diese Studie liefert Hinweise darauf, dass die Injektion von autologer stromal-vaskulärer Fraktion aus Fettgewebe, kombiniert mit autologem konditioniertem Plasma (ACP), eine vielversprechende Behandlungsoption für Patienten mit fortgeschrittener Kniearthrose darstellen könnte. Dennoch ist zu beachten, dass weitere Forschung erforderlich ist, um die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit dieser Therapie zu bestätigen.
Injektionstherapien bei Kniearthrose: ein kritischer Vergleich
Österreichische Wissenschaftler und Ärzte haben die verschiedenen Behandlungsoptionen bei Kniearthrose anhand veröffentlichter Daten einem kritischen Vergleich unterzogen.
Es wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt, klinische Studien, Metaanalysen und Leitlinien berücksichtigt, um so die Evidenzlage zu den einzelnen Therapieformen zu bewerten.
Dazu ist in Frontiers in Medicine eine umfassende Analyse erschienen, die die Wirksamkeit von
- Kortisol
- Hyaluronsäure
- plättchenreichem Plasma (PRP) und
- Bone Marrow Aspirate Concentrate (BMAC)
als potenzielle Behandlungsoptionen bei Kniearthrose untersucht. Die Studienautoren – siehe Übersicht – haben die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesen Injektionstherapien, um deren Nutzen und potenzielle Risiken bei der Behandlung der Kniearthrose zu bestimmen, evaluiert.
- Christof Pabinger, Institute for Regenerative Medicine (IRM) Graz,
- Georg Stefan Kobinia, Austrian Society of Regenerative Medicine (RegMed), Wien
- Dietmar Dammerer, Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften, Klinische Abteilung für Orthopädie und Traumatologie, Universitätsklinikum Krems
Bei den Injektionstherapien mit Kortisol, Hyaluronsäure, plättchenreichem Plasma (PRP) und Bone Marrow Aspirate Concentrate (BMAC) kommen die Autoren zu folgenden Ergebnissen:
Kortikosteroid-Injektionen: Diese bieten kurzfristige Schmerzlinderung und funktionelle Verbesserung, die über den Placeboeffekt hinausgehen. Allerdings sind diese Vorteile typischerweise von kurzer Dauer und verlieren oft nach sechs Wochen an klinischer Relevanz bei Patienten mit Kniearthrose.
Hyaluronsäure-Injektionen: Die Wirksamkeit von Hyaluronsäure-Injektionen ist umstritten. Einige Studien berichten über eine Verbesserung der Symptome, während andere keinen signifikanten Unterschied im Vergleich zu Placebo feststellen. Zudem können sie das Risiko für weitere Schmerzen erhöhen.
Plättchenreiches Plasma (PRP): PRP-Injektionen haben gezeigt, dass sie die Schmerzen bei Kniearthrose reduzieren und die Gelenkfunktion verbessern können. Allerdings ist die Evidenz begrenzt, und weitere hochwertige Studien sind erforderlich, um die optimale Anwendung zu bestimmen.
Mesenchymale Stammzelltherapie (BMAC): Diese Therapie zeigt Potenzial in der Knorpelregeneration. Allerdings sind die klinischen Ergebnisse noch nicht eindeutig, und es besteht ein Bedarf an weiteren Studien, um ihre Wirksamkeit und Sicherheit zu bestätigen.
Zusammengefasst vertreten die Autoren folgende Meinung:
- Konservative Maßnahmen z. B. Dehnung, Einlagen, Physiotherapie, Gewichtsreduktion und Radfahren sind die erste Wahl bei den Therapien und sollten jede Injektionstherapie begleiten.
- Patella-Fehlstellungen, Varus-/Valgus-Abweichungen und Band- oder Meniskusverletzungen müssen – unabhängig vom Alter – zuerst operativ korrigiert werden, da sie wesentliche Risikofaktoren für eine Kniearthrose darstellen.
- Die Knietotalendoprothese (TKA) ist nach wie vor der Goldstandard bei schwerer Arthrose, die auf konservative Maßnahmen nicht anspricht, mit 95 % guten und hervorragenden Ergebnissen nach 20 Jahren.
- Keine der untersuchten Injektionstherapien biete laut den Wissenschaftlern eine definitive Lösung für Kniearthrose. Die Wahl der Therapie sollte individuell erfolgen, basierend auf dem Schweregrad der Erkrankung, den Patientenpräferenzen und den potenziellen Risiken. Es bestehe ein Bedarf an weiteren hochwertigen Studien, um die optimale Behandlungsstrategie zu bestimmen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Injektionsverfahren bei Kniearthrose wichtige therapeutische Möglichkeiten darstellen, um Schmerzen zu lindern und die Gelenkfunktion möglicherweise zu verbessern.
Aufgrund der erwähnten uneinheitlichen wissenschaftlichen Datenlage und der weiterhin bestehenden offenen Fragen hinsichtlich der langfristigen Wirksamkeit und potenziellen Nebenwirkungen ist es entscheidend, diese Therapien individuell mit einem erfahrenen Arzt zu besprechen und sorgfältig abzuwägen. Eine gezielte, persönliche Beratung hilft, die optimale Behandlungsmethode für die jeweilige Situation zu finden.
Weitere Informationen zu Kniearthrose sowie ergänzende Beiträge zu verwandten Themen findest du hier: Eine zweiteilige Serie mit Knorpelexperte Dr. Wolfgang Zinser über regenerative Knorpeltherapien und warum es so wichtig ist, Knorpelschäden im Knie so frühzeitig wie möglich zu behandeln.
Eine Übersicht über Infiltrationen bei Arthrose und Gelenkschmerzen: Gelenkexperte Dr. Ralf Rosenberger klärt über die verschiedenen Möglichkeiten auf.
Infiltrationen bei Arthrose und Gelenkschmerzen – welche Möglichkeiten gibt es?
Hinweis: Die hier geteilten Informationen sollen zur Stärkung der persönlichen Gesundheitskompetenz beitragen, ersetzen aber in keinem Fall die ärztliche Diagnose, Beratung und Behandlung.
Foto: Shutterstock
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