Zuletzt aktualisiert am 10. September 2024 von tirolturtle
Das Forum Endoprothetik Wien lud zur Patientenveranstaltung „Neue Hüfte, neues Knie“. Angelika Eisenhut war für das Arthrose Forum Austria dabei und hat die wichtigsten Inhalte zusammengefasst.
Forum Endoprothetik Wien: In den historischen Räumlichkeiten des Josephinum mit wunderbarer Kulisse fand am Donnerstag, dem 20. April 2023, eine Informationsveranstaltung für Patientinnen und Patienten der klinischen Abteilung für Orthopädie an der Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie der Medizinischen Universität Wien/ Universitätsklinikum AKH Wien statt.
Angelika Eisenhut, selbst doppelte Hüft-TEP-Trägerin und in unserer österreichischen Arthrose Selbsthilfe aktiv, war für das Arthrose Forum Austria dabei und hat die wichtigsten Inhalte der Veranstaltung zusammen gefasst.
Unter der Moderation von Manfred Ruthner, der Journalist und selbst Träger einer Hüftprothese ist, und Univ.-Prof. Dr. Reinhard Windhager, Leiter der Klinischen Abteilung für Orthopädie der Medizinischen Universität Wien am Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien, wurden Neuigkeiten in der Endoprothetik der großen Gelenke präsentiert.
Auf dem Tirolturtle Blog gibt es übrigens ein Interview mit Dr. Reinhard Windhager (vom April 2021).
Die Vortragenden neben Univ.-Prof. Dr. Reinhard Windhager waren:
- Univ.-Prof. Dr. Alexander Guiera
- Ap. Prof. Priv.-Doz. Gerhard Hobusch MSc
- Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Richard Lass, MSc
- alle von der Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie der Medizinischen Universität Wien/AKH Wien
sowie
- Ao. Univ. Prof. Dr. Richard Crevenna, MMSc, MBA, Leiter der Universitätsklinik für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin der MedUni Wien/AKH Wien
- Dr. Markus Zadrazil von der Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie der MedUni Wien/AKH Wien
Themenschwerpunkte dieses für Patient:innen und Fachpersonal gleichermaßen interessanten Nachmittags waren:
- Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement durch die Klinik sowie die Erwartungshaltung der Patient:innen versus Ergebnis der endoprothetischen Operation.
- Besprochen wurden weiteres Narkoseverfahren und Schmerztherapie, gefolgt von den Möglichkeiten der physikalischen Medizin rund um den Eingriff.
- Den Abschluss bildete die Problematik der schmerzhaften Endoprothese.
- Informationsbroschüren standen zur freien Entnahme zur Verfügung.
- Eine Ausstellung der Industrie bot für Interessierte die Möglichkeit, Endoprothesen der Hüfte und Knie ausführlich kennenzulernen.
Forum Endoprothetik Wien: Was kann ein EPZmax?
Die klinische Abteilung für Orthopädie an der Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie ist als erstes spezialisiertes Zentrum Österreichs 2015 durch Endocert zertifiziert worden.
Dieses Qualitätssiegel befähigt zum Titel Endoprothetikzentrum der Maximalversorgung (EPZmax) und wird in regelmäßigen Abständen neu evaluiert.
Mit 558 Eingriffen plus 131 Wechseloperationen (Stand 2022), zwei Senior-Operateuren und fünf Hauptoperateuren, die jeweils die erforderliche Fallzahl operieren, sind alle Voraussetzungen erfüllt.
Wichtig für die Zertifizierung sind weiters eine Intensiv-Versorgung am Standort, klinische Forschung sowie ein entsprechendes Qualitätsmanagement. Jährliche Patientenveranstaltungen werden durch Vorträge wie diese abgedeckt.
Neben der Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie der medizinischen Universität Wien gibt es aktuell noch weitere zehn zertifizierte Zentren in Österreich.
Jährlich werden bei uns rund 40.000 neue Hüften und Knie implantiert, das entspricht einem Zehntel der in Deutschland vorgenommenen Erstimplantationen.
Zum Unterschied zu Deutschland mit aktuell 491 zertifizierten Häusern hat Österreich jedoch noch massiven Nachholbedarf, was dieses Qualitätssiegel betrifft. Es ist wünschenswert, den Ausbau der Endocert-Zertifizierung landesweit zu fördern.
Warum diese Zertifizierung? Sie stellt ein hohes Maß an Sicherheit für die Klinik und Patient*innen dar.
Transparente Prozesse, eine Einbindung an das Endoprothesenregister Deutschland, ständige Evaluierung und Verbesserung der Qualität, sowie gut abgestimmte Arbeitsabläufe sind Standard in zertifizierten Krankenhäusern und führen zur Verbesserung der Patient*innenversorgung.
Forum Endoprothetik Wien: Daten steigern Qualität der Versorgung
Eine weitere Möglichkeit der Sicherung der Datenlage von Ergebnissen endoprothetischer Operationen ist die Miteinbeziehung von patientenspezifischen Daten.
Dazu wird anhand von Fragebögen vor, kurz nach und langfristig nach der Operation evaluiert, wie das individuelle Empfinden hinsichtlich Schmerz und Lebensqualität sowie Zufriedenheit ist.
Diese Daten geben wichtige Hinweise zur Qualitätssteigerung und Verbesserung der Versorgung rund um die Operation, die Kommunikation zwischen Fachpersonal und Patient*innen, Therapieplanung und chirurgisches Niveau betreffend.
Weiters sind sie wichtige Parameter für die Qualität der verwendeten Implantate, die zur Beurteilung langfristiger Ergebnisse beitragen.
Die Daten der Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie der medizinischen Universität Wien/AKH Wien fließen ins Endoprothesenregister Deutschland ein, österreichspezifisch werden sie jedoch nicht erhoben.
Zum Leidwesen muss man sagen, da wir immer noch kein bereits lang gefordertes Endoprothesenregister etabliert haben – siehe das Tirolturtle Interview mit Dr. Jochen Hofstätter vom Orthopädischen Spital Wien Speising (September 2020).
Dabei wären solche Daten von enormer Bedeutung, da sie nicht nur internationale Vergleiche ermöglichen, sondern auch national zur Steigerung der Qualität der Krankenhäuser und einer besseren Kostenverteilung führen würden.
Forum Endoprothetik Wien: Zufriedenheit der Patient*innen
Ein relevanter Punkt hinsichtlich der Zufriedenheit von Patient*innen mit ihrem neuen Gelenk ist eine Aufklärung betreffend die Erwartungshaltung an die Prothese.
Wird zu früh operiert, ist das Ergebnis aufgrund möglicher durch das künstliche Gelenk gegebenen Einschränkungen eventuell nicht zufriedenstellend.
Ein künstliches Gelenk ist ein Gelenkersatz, mit dem vieles, aber nicht alles möglich ist.
Eine zu hohe Belastung der Prothese kann zu einer verkürzten Standzeit und einer frühen Wechseloperation führen.
So haben die höchsten Revisions-Raten Patient*innen unter 55 Jahren, die sehr aktiv am Leben teilnehmen.
Eine gute Beratung im Vorfeld der Operation ist daher wichtig, um den richtigen Zeitpunkt für die Operation festlegen zu können und die Zufriedenheit mit der Prothese zu fördern.
Rund um die Operation kommt die physikalische Medizin mit ihren Möglichkeiten zum Einsatz. Bekanntermaßen ist ein Rehabilitationsaufenthalt nach der Operation üblich, der bei Hüfte frühestens sechs Wochen und beim Knie frühestens acht Wochen nach dem Eingriff starten kann.
Ziel ist es, in der Rehabilitation die Beweglichkeit zu verbessern, Kraft aufzubauen und letztendlich ein Programm für Training und Bewegung zu erarbeiten, um von der Inaktivität zur lebenslangen Aktivität zu kommen.
Welche Sportarten geeignet sind, wird ebenfalls vermittelt, wobei gleich vorweg anzumerken ist: Kontaktsport und Ballsport sind nicht mehr ratsam, mit Prothese durchzuführen.
Ideal ist es, vor der Operation bereits eine sogenannte Prehabilitation (Prehab) zu machen, in der bereits eine Gewichtsreduktion angestrebt wird und eine Ernährungsanpassung erfolgen sollte.
Gleichzeitig erfolgt ein gezielter Kraftaufbau für die Zeit nach dem Eingriff, wenn der Oberkörper und Schulterbereich durch die Krücken stark beansprucht ist.
Außerdem werden hier bereits die Verhaltensmaßnahmen besprochen, die zum Schutz des neuen Gelenks nach der Operation für sechs Wochen notwendig sind.
Unmittelbar nach der Operation ist es das Ziel, eine möglichst frühe Mobilisation zu erreichen, rasch aufzustehen und mit Krücken gehen zu lernen.
Je schneller die Patient*innen wieder auf den Beinen sind, umso komplikationsloser ist der Verlauf.
Forum Endoprothetik Wien: was passiert bei der Narkose?
Viele Patient*innen sind ängstlich, wenn sie an die Narkose und Schmerzen nach dem Eingriff denken. Hier erfolgt eine gute Aufklärung in der Präanästhesie-Ambulanz, welches Narkoseverfahren mit seinen Vor- und Nachteilen das optimale ist.
Zur Auswahl stehen die Vollnarkose (Allgemeinanästhesie), bei der bei gleichzeitiger Beatmung das Bewusstsein ausgeschaltet ist, und der Kreuzstich (Spinalanästhesie), der jegliches Empfinden vom Bauchnabel abwärts blockiert.
Da die Spinalanästhesie bei vollem Bewusstsein erfolgt, ist eine Beatmung nicht notwendig.
Schmerzen nach der Operation werden verhindert, indem schon im Aufwachraum eine Schmerztherapie je nach Intensität eingeleitet wird.
Einerseits gibt es die Möglichkeit, mittels einer Regionalanästhesie Nerven gezielt für mehrere Stunden auszuschalten, andererseits kann eine Schmerzpumpe gelegt werden, die von den Patient:innen selbst gesteuert wird. Eine Überdosierung ist dabei nicht möglich.
Forum Endoprothetik Wien: die schmerzhafte Prothese
Zum Schluss wurde noch auf die Problematik der schmerzhaften Prothese eingegangen.
Hier ist wichtig, dass eine genaue Anamnese und Diagnose durchgeführt wird.
Nur so kann herausgefunden werden, welche Ursache vorliegt, sei es eine Lockerung, Infektion, Abrieb der Gleitpaarung, ein inkorrekter Sitz des Implantats oder eine Problematik des umliegenden Weichteilgewebes, etc.
Dementsprechend wird die weitere Vorgehensweise gewählt.
Abschließend ist zu sagen, dass der Gelenkersatz von Hüfte und Knie sehr zufriedenstellende Ergebnisse liefert.
85 Prozent der Patient*innen sind mit ihrer Knieprothese zufrieden, 90 Prozent mit ihrer neuen Hüfte.
Nicht umsonst wird der Hüftgelenkersatz von der World Health Organisation WHO als erfolgreichste Operation des Jahrhunderts bezeichnet.
Hinweis: Die hier geteilten Informationen sollen zur Stärkung der persönlichen Gesundheitskompetenz beitragen, ersetzen aber in keinem Fall die ärztliche Diagnose, Beratung und Behandlung.
Fotos: Angelika Eisenhut
2 Comments
Die Plattformen, die Barbara Egger-Spiess für Arthrosebetroffene ins Leben gerufen hat, sind eine wertvolle Ressource, die vielen Menschen helfen kann, besser mit ihrer Krankheit umzugehen. Ihr Engagement für das Selbstmanagement und die Aufklärung über Behandlungsmöglichkeiten ist wirklich bewundernswert. Gerade in diesem Bereich ist es wichtig, fundierte Informationen und Unterstützung zu bieten. Great job!
Dankeschön!