Zuletzt aktualisiert am 29. März 2025 von tirolturtle
In der kalten Jahreszeit klagen viele Betroffene über steifere Gelenke und intensivere Beschwerden. Doch wie sehr beeinflusst das Wetter unsere Arthrose Schmerzen wirklich?
Die kalte Jahreszeit und ihre Auswirkungen auf Arthrose Schmerzen sind ein häufig diskutiertes Thema, sowohl aus wissenschaftlicher Sicht als auch durch persönliche Erfahrungsberichte. Viele Arthrose-Patienten berichten von verstärkten Schmerzen, Steifheit und eingeschränkter Beweglichkeit, sobald die Temperaturen sinken.
Beeinflusst das Wetter Arthrose-Schmerzen wirklich? Subjektiv ja. Unzählige Betroffene sind überzeugt, dass Wetterbedingungen wie Kälte oder Feuchtigkeit ihre Gelenkschmerzen verschlimmern.
Objektiv eher nein. Denn aktuelle Studien zeigen ein differenziertes Bild: Es gibt keine direkte Verbindung zwischen Wetter und Schmerzen.
In einer systematischen Meta-Analyse (siehe was sagt die Wissenschaft) mit über 15.000 Teilnehmern und 28.000 dokumentierten Schmerzepisoden konnte kein klarer Zusammenhang zwischen Wetterfaktoren wie Temperatur, Feuchtigkeit, Luftdruck oder Regen und Arthrose-Schmerzen festgestellt werden.
Selbst bei Rückenschmerzen oder rheumatoider Arthritis zeigte das Wetter keine signifikante Wirkung auf die Häufigkeit oder Intensität der Beschwerden.
Einzig bei Gicht wurde ein Zusammenhang nachgewiesen: Trockenes, warmes Wetter kann hier das Risiko für einen Schub verdoppeln.
Was beeinflusst unsere Wahrnehmung? Warum glauben so viele, dass Wetter eine Rolle spielt?
Die Erklärung könnte in unserem Verhalten liegen. Im Winter neigen wir dazu, weniger aktiv zu sein, schlechter zu schlafen und uns ungesünder zu ernähren.
All diese Faktoren sind jedoch bekannte Auslöser für stärkere Schmerzen – unabhängig vom Wetter. Außerdem spielt der sogenannte Nocebo-Effekt eine Rolle: Wenn wir erwarten, dass Kälte uns schadet, empfinden wir Schmerzen oft intensiver.
Als jemand, der selbst mit Heberden- und Bouchard-Arthrose kämpft, kann ich die Berichte vieler Betroffener nachvollziehen. Meine Hände fühlen sich bei Kälte oft steif und unbeweglich an. Die Schmerzen nehmen zu, und einfache Aufgaben wie das Tippen oder Öffnen von Gläsern werden zur Herausforderung. Auch wenn die Forschung skeptisch bleibt, bin ich überzeugt, dass zumindest indirekt die kalte Jahreszeit eine Rolle spielt.
Wetter und Arthrose Schmerzen: Tipps für Betroffene
Unabhängig davon, ob das Wetter tatsächlich einen Einfluss hat, gibt es Maßnahmen, die helfen können, kalte und feuchte Tage schmerzfreier zu erleben:
- Bleib in Bewegung: Spaziergänge, gelenkschonender Sport wie Schwimmen, Radfahren oder Yoga halten die Gelenke geschmeidig und fördern die Durchblutung und stärken die Muskulatur. Dies entlastet die Gelenke. Unabhängig von Wetterbedingungen ist es wichtig, körperlich aktiv zu bleiben, um die Symptome von Arthrose zu managen.
- Wärme nutzen: Halte Gelenke durch Schichtenkleidung oder Wärmekissen (z. B. für Knie und Hände) warm. Auch eine warme Schlafumgebung kann Muskelverspannungen vorbeugen. Wärme kann helfen, die Muskulatur zu entspannen und die Durchblutung zu fördern. Wärmeanwendungen wie heiße Bäder oder Heizkissen sind ebenfalls hilfreich. Körper und Schlafzimmer warm halten, um Muskelverspannungen vorzubeugen.
- Gesund leben: Eine entzündungshemmende Ernährung, wie der Verzicht auf tierische Fette, und ein gesundes Gewicht entlasten die Gelenke und kann dazu beitragen, Gelenkschmerzen zu reduzieren. Eine entzündungshemmende Ernährung ist reich an Omega-3-Fettsäuren (Fisch, Nüsse), gleichzeitig sollte man tierische Fette und Zucker vermeiden, da diese Entzündungen fördern können. Auch Nichtrauchen und mäßiger Alkoholkonsum fördern die Gelenkgesundheit.
- Regelmäßige Pflege: Massagen oder das Kneten von warmem Sand regen die Durchblutung an und lockern steife Finger.
- Information und Selbstmanagement: z. B. auf der Website der Österreichischen Schmerzgesellschaft.
Was hilft bei chronischen Schmerzen? Tipps von ÖSG und Selpers
Wetter und Arthrose Schmerzen: Was sagt die Wissenschaft?
In der Joint Action Podcast-Folge mit dem Titel „The surprising link between weather and joint pain: fact or fiction“ spricht Prof. Manuela Ferreira über den Zusammenhang zwischen Wetter und Gelenkschmerzen bei Arthrose.
Die australische Forscherin beleuchtet die wissenschaftliche Basis für die Wetter-Schmerz-Verbindung und erklärt, warum kalte oder feuchte Bedingungen die Symptome verschlimmern könnten.
„Viele Menschen mit Arthrose berichten über eine Verschlimmerung ihrer Symptome abhängig von Wetterbedingungen. Diese weit verbreitete Überzeugung haben wir wissenschaftlich untersucht, um zu verstehen, ob es eine direkte Verbindung gibt.“
Dazu haben Prof. Manuela Ferreira und ihr Team eine systematische Literaturdurchsicht durchgeführt, die speziell darauf abzielte, die Verbindung zwischen Wetter und muskuloskelettalen Schmerzen zu untersuchen.
Die Daten von etwa 15.000 Personen aus verschiedenen Ländern und Klimazonen wurden analysiert, die fast 30.000 Episoden von Schmerzen, hauptsächlich Hüft- und Rückenschmerzen, meldeten.
Die Untersuchung ergab keinen direkten Zusammenhang zwischen Wetterbedingungen und einer Zunahme von Schmerzepisoden. Das Wetter scheint also nicht direkt die Schmerzen bei Arthrose zu beeinflussen.
Lediglich der Rheumatologe Dr. David Borenstein stellte fest, dass einige Patienten Wetterveränderungen spüren, bevor sie tatsächlich eintreten. Es wird vermutet, dass der barometrische Druck eine Rolle spielt.
Die umfassende Meta-Analyse mit über 15.000 Teilnehmern weltweit kurzgefasst:
- Analyse von 11 Studien mit 15.315 Teilnehmern und 28.010 Schmerzepisoden.
- Bewertete muskuloskelettale Beschwerden (z. B. Rückenschmerzen, Knie- und Hüftarthrose, rheumatoide Arthritis).
- Untersuchte den Zusammenhang von Wetterfaktoren mit Schmerzen und Schüben.
- Kein direkter Zusammenhang zwischen Wetterfaktoren (Luftfeuchtigkeit, Luftdruck, Temperatur oder Niederschlag) und dem Risiko von Knie-, Hüft- oder Rückenschmerzen sowie rheumatoider Arthritis.
- Ausnahme Gicht: Hohe Temperaturen in Kombination mit niedriger Luftfeuchtigkeit verdoppelten das Risiko für Gicht-Schübe (Odds Ratio: 2,04).
- Die Ergebnisse legen nahe, dass Wetteränderungen keinen direkten Einfluss auf die Mehrheit muskuloskelettaler Schmerzen haben.
- Die Studie stellt die häufige Annahme infrage, dass Wetter muskuloskelettale Beschwerden auslöst.
- Behandlungsansätze sollten sich auf modifizierbare Risikofaktoren wie Gewicht, Bewegung und Lebensstil konzentrieren und nicht auf unkontrollierbare Faktoren wie das Wetter.
- Weitere Forschung sollte sich darauf konzentrieren, beeinflussbare Risikofaktoren zu identifizieren und effektive Managementstrategien zu entwickeln.
Der Glaube, dass Wetter Schmerzen verschlimmert, könnte laut Wissenschaft eher auf indirekte Faktoren zurückzuführen sein:
- Verhaltensänderungen: Wetter kann Verhaltensweisen beeinflussen, die indirekt Schmerzen beeinflussen könnten. Beispielsweise könnte kaltes oder nasses Wetter Menschen davon abhalten, aktiv zu bleiben, was wiederum die Schmerzwahrnehmung verstärken könnte. Ein Beispiel dafür ist der Bewegungsmangel im Winter: Weniger Aktivität kann Rückenschmerzen verschlimmern.
- Schlaf und Schmerz: Kalte Temperaturen können Schlafqualität beeinflussen und so Schmerzen verstärken. Schlechter Schlaf ist direkt mit einer Zunahme von Schmerzen verbunden.
- Stimmungsschwankungen: Winterdepressionen oder schlechte Laune können das Schmerzempfinden erhöhen.
- Nocebo-Effekt: Die Erwartung von Schmerzen aufgrund von Wettervorhersagen könnte ebenfalls zu einer verstärkten Schmerzempfindung führen, da die Angst vor Schmerzen selbst Schmerzen verstärken kann.
Mögliche Erklärungen für wetterbedingte Schmerzen:
- Luftdruckveränderungen: Ein sinkender barometrischer Druck vor Wetterumschwüngen kann dazu führen, dass sich das Gewebe ausdehnt und auf die Gelenke drückt, was Schmerzen verursachen kann.
- Veränderungen im Aktivitätsniveau: Bei wärmerem Wetter sind Menschen oft aktiver, was zu einer Überanstrengung der Gelenke führen kann. Dies könnte erklären, warum bei steigenden Temperaturen vermehrt über Gelenkschmerzen geklagt wird.
Die wissenschaftlichen Ergebnisse widerlegen die weit verbreitete Überzeugung, dass Wetterbedingungen wie Kälte oder Regen Schmerzepisoden bei Arthritis oder anderen muskuloskelettalen Erkrankungen auslösen. Gicht bleibt die einzige Ausnahme, da Wetter hier potenziell eine Rolle spielen kann.
Laut Forschung sollte der Fokus auf veränderbaren Faktoren wie Lebensstil und körperlicher Aktivität liegen. Denn Verhalten, Stimmung und andere Faktoren spielen eine große Rolle. Eigenverantwortung und Anpassungsfähigkeit im Umgang mit der Krankheit sind gefragt, ebenso wie Bewegung, Gewichtsmanagement und Wärme.
Quellen:
No, your aches and pains don’t get worse in the cold. So why do we think they do?”
Come rain or shine: Is weather a risk factor for musculoskeletal pain? A systematic review with meta-analysis of case-crossover studies
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0049017224000337
Hinweis: Die hier geteilten Informationen sollen zur Stärkung der persönlichen Gesundheitskompetenz beitragen, ersetzen aber in keinem Fall die ärztliche Diagnose, Beratung und Behandlung.
Foto: Shutterstock
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